Anton geht in die erste Klasse.
Es ist hier die Grundschule, in der sich die halbe
Nachbarschaft tummelt.
Er ist, wie soll ich es sagen, kein Engel, aber ein
anständiger Sonnenschein. An manchen Tagen möchte ich ihn gerne, wahlweise, auf
den Mond schießen, zur Adoption frei geben oder ihn im Heizungskeller mit
Kabelbinder an die Rohre ketten.
Doch ist er im Umgang mit anderen Kindern großartig. Er
toleriert jede Macke oder Verhaltensauffälligkeit. Sagt deutlich wo seine
Grenzen sind und geht lieber weg, bevor er schlägt.
Auch sieht er, wenn Hilfe benötigt wird und ist empathisch.
Jähzornig ist er übrigens auch, damit uns hier nicht schlecht wird vor lauter
Lob!
Hier in der Nachbarschaft und auch auf der Schule gibt es
einen Jungen, der es richtig scher hat. Er ist anders als andere Kinder und
versucht zwar mit den anderen mitzuhalten hat aber im sozialen Umgang richtige
Lücken, die er mit Brutalität versucht zu schließen. Kontaktaufnahme ist nicht
mit Hallo, sondern gerne einfach mal einen Klaps, egal wohin. Kein Kind mag tatsächlich
mit ihm spielen. Eigentlich schade, dachte ich, in meinem Erwachsengehirn. Doch
nachdem ich ihn erlebt habe, in verschieden Situation, verstehe ich die anderen
Kinder.
Mein, „Ey, der kann nicht anders, danach kann man doch mit
ihm spielen!“ oder; „ Weißt Du, der kann doch auch Schach spielen, mach das
doch mal mit ihm!“ oder, „ Willst du ihn nicht mal besuchen und mit ihm dein
neues Hörspiel anhören?“, wurde immer seltener, bis es komplett aufhörte.
Denn Anton beschwerte sich jeden Tag. Erst ging es nur darum,
dass er sie in der Betreuung nicht richtig mit dem Lego spielen ließ. Dann ging
es weiter, in den Pausen ging er nicht weg, schlug, trat und beschimpfte die
anderen Kinder. Er konnte nicht akzeptieren, dass die anderen Kinder nicht mit
ihm spielen wollten. Drängte sich auf unangenehm brutale Weise auf.
Mir fehlten mittlerweile die Worte zur Beschwichtigung von
Anton. Jeden Tag gingen wir hier zu Hause in einen Konflikt rein, weil Anton
mit der Situation in der Schule so unglücklich war.
Nach drei Wochen sagte ich, „Weißt Du was, ich kümmere mich
drum!“ Anton strahlte mich Zahnlücken lastig an, leierte mir noch Schokolade
aus dem Ärmel und trollte sich.
Ich setzte mich hin und rief die Mutter an. Nicht gerne,
weil ich finde, es ist nicht mein Tanzbereich, der Schulhof der Kinder. Aber
gut, ich war mürbe genug um es zu tun.
Es wurde ein nettes Gespräch, denn wir kennen uns und sind
auf irgendeine Art und Weise befreundet. Es kam raus, dass er sich auch in der
Familie so komisch benimmt und sie nicht mehr weiterweiß. Es ging sogar soweit,
dass ich ihn schon bei ihr in Schutz genommen habe. Sie wollte mit ihm reden.
Für mich war damit alles erledigt. War es aber nicht!
Irgendwann in der Woche schellte das Telefon. Anton nahm ab
und seine Mutter war dran. Er begann sich plötzlich zu rechtfertigen. Ich hatte
keine Zeit und versprach sie später anzurufen.
Ihr Sohn hatte sich bei ihr beschwert, dass Anton ihn hin
geschubst hätte und er nicht mit dem Viertklässler spielen dürfte, weil ihn die
anderen Jungs wegscheuchen würden.
Ließ sich alles ganz schnell klären. Er war ausgerutscht,
weil Anton mit ihm Blödsinn gemacht hat. Keiner hatte Schuld, alles gut. Doch
beharrte sie auf einen Gesprächstermin, an dem auch eine andere Mutter mit
ihrem Sohn teilnehmen sollte. Bitte, wenn dann Ruhe ist, gerne.
Das Gespräch war eine Verschwendung von Lebenszeit! Sie
pochte dauerhaft darauf, dass ihr Sohn weggescheucht worden wäre und dass er
nicht mit dem Viertklässler spielen dürfte. Währenddessen hortete ihr Sohn die
abgezählten Süßigkeiten. Es kamen nur latente Vorwürfe in Richtung Anton und
seinem Freund. Die andere Mutter starrte gelangweilt geradeaus. Mir wurde es
einfach zu blöd!
„Naja, es kann auch nicht sein, dass ein Kind ständig
schlägt oder tritt und nicht aufhört, obwohl die anderen Halt/Stopp sagen. Sie
dann noch beschimpft...“
„Natürlich will ich keine Strichliste führen, aber...“
Und jetzt platzte mir der Kragen!
„So, über so einen Kindergarten rede ich nicht! Wer hier mit
wem spielt ist mir scheißegal! Wir können uns gerne darüber unterhalten, wie
der Umgang untereinander ist. Höflichkeit und Respekt voreinander, das wäre
sehr schön. Niemand schlägt, tritt oder spuckt, fertig!“
Bin aufgestanden und habe mein Kind eingesammelt, was mich
angrinste!
„Ähm,“ versuchte sie die Situation zu retten, „willst Du
nicht die Süßigkeiten verteilen, die sind nicht für Dich alleine gedacht
gewesen, weißt Du.“
Nö, wollte er nicht. Hätte ich übrigens auch nicht getan, an
seiner Stelle. Was ich habe, dass habe ich! Und außerdem bekommt er sonst
nichts!
So, aber das Gespräch brachte gar nichts!
Einen Tag später kam Anton nach Hause und beschwerte sich
wieder über Ihn! Er hatte wieder geschlagen und getreten!
Mein Sohn hat jetzt eine Ansage bekommen, wenn ich eine
Woche nicht höre, dass dieses Kind ihn wieder schlägt oder tritt, dann darf er
am Samstag PlayStation spielen. Außerdem darf er jetzt gerne auch mal zurückschlagen,
so richtig!
Anton schaute ungläubig!
Ja, sagte ich, geh ihm aus dem Weg und spiel woanders. Der
Typ ist doof und versteht es nicht. Wenn er kommt schick ihn weg, wenn er nicht
geht, dann geh du. Wenn er dich schlägt, dann schlag zurück und hol dir Hilfe.
JAAA, ich weiß, es ist nicht pädagogisch wertvoll, aber den
Anspruch habe ich nicht! Ich will Ruhe in unserem Leben haben und wenn dann
eben so ein Arschlochkind mit kognitiv suboptimal ausgestatten Eltern uns so
dermaßen tyrannisiert, dann schaffe ich Ruhe! Gerne auch mit der PlayStation.